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MAGAZIN

Interview mit Herrn Manh Hoat Doan von der Arcadis Germany GmbH. Unter seiner Aufsicht wird die vor dem Abbruch notwendige Schadstoffsanierung durchgeführt.

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Im Augenblick finden in den frühen Morgenstunden Abbrucharbeiten samt Schadstoffsanierung in der ehemaligen Kassenhalle statt. Die Ausschreibung und Begleitung dieser verantwortungsvollen Aufgabe übernahm die Arcadis Germany GmbH. Dass sie mit den lärmintensiven Arbeiten fertig sein müssen bevor der Probenbetrieb im Staatstheater beginnt, ist für die Spezialisten eine neue Arbeitssituation. Mit schadstoffbelasteten Gebäuden hingegen kennen sie sich aus. Herr Doan überwacht die Arbeiten und ist durchgehend vor Ort. Wir sprachen mit ihm über die Verantwortung seiner täglichen Arbeit, den Umgang mit Asbest und den Zusammenhang von Schadstoffsanierung und Nachhaltigkeit.

Sanierungskommunikation: Was haben Sie am Badischen Staatstheater für eine Situation vorgefunden?

Herr Doan: Von den Baumaterialien ist das ein typischer Bestandsbau aus den 70gern, der jetzt modernisiert
werden soll. Es ist für uns kein neues Projekt, da wir hier auch die technische Erkundung zu Gebäudeschadstoffen durchgeführt haben, mit der Planung anschließen konnten - und jetzt mit der Bauüberwachung. Solche ganzheitlichen Projekte haben wir immer wieder. Da wissen wir bereits bei der Planung und Ausschreibung welche Baustoffe, darunter auch Gebäudeschadstoffe, wo verbaut sind und welche Maßnahmen getroffen werden müssen.

Sanierungskommunikation: Im Augenblick werden ja erst einmal die Bodenplatten entfernt.

Herr Doan: Momentan wird das Parkett sowie die unterliegenden Schichten voneinander getrennt. Das Parkett wurde auf Estrich verlegt. In der Estrichschicht befinden sich u.a. Warmwasserleitungen der Fußbodenheizung. Die Fußbodenheizung ist jetzt abgeschaltet, da kann nichts weiter passieren. Zwischen der Estrichschicht und der tragenden Betonschicht befindet sich asbesthaltige Pappe als Trennschicht. Als das Gebäude gebaut wurde, war Asbest noch kein Thema. Das Thema Gebäudeschadstoffe kam erst in den 80ger Jahren auf. Davor war u.a. Asbest ein ganz normaler
Baustoff mit hervorragenden Eigenschaften. Asbest hatte bis zu 3.000 Verwendungen auf der ganzen Welt gehabt. In China zum Beispiel wird Asbest immer noch legal eingesetzt. MIttlerweile weiß man aber, dass ungebundener oder freigesetzter Asbest krebserregend ist. Da muss man zum Schutz der Arbeiter, der Gebäudenutzer
und auch zum Schutz der Umwelt besondere Maßnahmen treffen.

Sanierungskommunikation: In der kommenden Woche entsteht der Schwarzbereich - jetzt sind wir noch in der ersten Phase, in welcher entrümpelt und entkernt wird.

Herr Doan: Unter Abbruch, wie im vorliegenden Fall, fassen wir zusammen: Die Entrümpelung, die Entkernung -
und als Teil der Entkernung die Schadstoffsanierung. Das sind dann in diesem Fall die Arbeiten im Schwarzbereich.
Der Weißbereich dagegen umfasst die Arbeiten ohne Schadstoffe. Also Arbeiten, welche „normale" Handwerker*innen bearbeiten dürfen. Bei Arbeiten mit Gebäudeschadstoffen sind Spezialisten am Werk, welche durch Weiterbildung eine Sachkunde erlangt haben und wissen, wie man mit Gefahrenstoffen umgeht.

Sanierungskommunikation: Wie stelle ich mir einen Schwarzbereich vor?

Herr Doan: Ein Schwarzbereich ist ein mit Folien nach außen luftdicht abgeschotteter Bereich. Dazu gehört i.d.R.
eine Unterdruckhaltung und ein Schleusensystem - bei Asbestarbeiten zum Beispiel ist so etwas vorgeschrieben. Mit einem Unterdruckhaltegerät (UHG) entsteht im abgeschotteten Schwarzbereich ein Unterdruck. Das UHG saugt die Luft im Schwarzbereich an und filtert die verunreinigte Raumluft. Die bei der Schadstoffsanierung frei gewordenen Gebäudeschadstoffe, z.B. Asbestfasern, werden herausgefiltert. Die Luft, die schließlich nach außen gelangt, ist somit sauber.
Bei der Abgrenzung in über zehn Schwarzbereiche machten wir uns im Vorfeld Gedanken, wie wir die
jeweiligen Tätigkeiten kombinieren können, um die Gesamtzeit bei der Ausführung zu sparen und
Transportwege sinnvoll und effektiv zu nutzen.

Sanierungskommunikation: Jeder Bereich stellt eigene Anforderungen?

Herr Doan: Die Bereiche unterscheiden sich in ihrem eingebauten Gebäudeschadstoff, aber auch in ihrer Einbausituation. So sind unterschiedliche Techniken für den Abbruch der verschiedenen Materialien nötig. Je nach Schadstoff sind zudem andere Schutzmaßnahmen nötig. Im Badischen Staatstheater finden wir neben Asbest z.B. auch KMF und PCB vor.

Sanierungskommunikation: KMF?

Herr Doan: Künstliche Mineral Fasern. Diese befinden sich hier in der Wand- und Deckendämmung als auch in
der Bodendämmung.

Sanierungskommunikation: Sie erzählten mir vorab, dass ein Kollege von lhnen im VDI - im Verband deutscher Ingenieure - Mitglied ist. In den Gremiensitzungen spricht er über neue Forschungsergebnisse und es wird überlegt, wie man diese am besten in Richtlinien umsetzen kann. Sie sind immer nah an der aktuellsten Forschung.

Herr Doan: Es geht darum, Standards beim Umgang mit Gebäudeschadstoffen zu setzen, damit die Anforderungen zumindest deutschlandweit einheitlich sind. Hierzu sind neue Erkenntnisse aus der Forschung und Geräteentwicklung besonders wichtig, um das Arbeits- und Umweltschutzniveau auf einem hohen Standard zu halten.

Wir setzen alles Erdenkliche um, damit Arbeiter*innen, Gebäudenutzer*innen und
die Umwelt geschützt sind. So tragen die Arbeiter in den Schwarzbereichen Schutzanzüge und eine Vollmaske mit Partikelfilter.

Sanierungskommunikation: Wie lange kann man unter so einer Maske arbeiten?

Herr Doan: Dazu gibt es ganz klare Richtwerte - das sind in diesem Fall zwei Stunden. Dann braucht man eine halbe Stunde Pause. Seit der Corona - Zeit kennen alle die FFP2-Maske mit P2-Filterung. Wir nutzen sogar die P3-Filterung. Das ist die nächste Stufe. Damit ist es noch etwas schwieriger zu atmen.

Sanierungskommunikation: Kurz noch einmal zu dem schwierigen Thema Asbest. Hier wird ja von gebundenem Asbest gesprochen. Was unterscheidet diesen von ungebundenem Asbest?

Herr Doan: Fest gebundene Asbestprodukte enthalten deutlich weniger Asbest als schwach gebundene Asbestprodukte. Bekannt ist hier der Verbundbaustoff Asbestzement. Daraus bestehen z.B. die Wellasbestplatten auf älteren Dächern. Schwach gebundene Asbestprodukte haben einen Asbestgehalt von über 60 Massen-% und setzen potenziell mehr Asbestfasern in die Raumluft frei.

Sanierungskommunikation: Die Schadstoffsanierung muss vor dem Abbruch abgeschlossen sein.

Herr Doan: Genau, und das ist auch im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Im Kreislaufwirtschaftsgesetz und in der
Gewerbeabfallverordnung steht, dass verschiedene Materialien bzw. Abfallfraktionen zu trennen sind. Der Hintergrund ist die Förderung der Nachhaltigkeit, indem so viele Stoffe wie möglich in den Kreislauf zurückgeführt werden. Zum Beispiel können die hier ausgebauten Granitplatten anderswo als Bodenbelag wiederverwendet werden. Metalle können wiederverwertet werden. Gebäudeschadstoffe hingegen müssen aus dem Kreislauf ausgeschleust werden.

Sanierungskommunikation: Was wird mit den Schadstoffen passieren, die Sie hier abnehmen?

Herr Doan: Wenn sie nicht thermisch verwertet, also verbrannt werden können, werden sie deponiert. Asbest ist
hitzefest, daher werden asbesthaltige Materialien deponiert. Deshalb versuchen wir aus Nachhaltigkeitsgründen so viel Material wie möglich zu trennen. Beispielsweise kann man bei der asbestbelasteten Pappe im Estrich den Estrich ohne
Asbestanhaftung als nicht gefährlichen Abfall entsorgen. Der Estrich, der am Asbest haftet, wird als asbesthaltiger Abfall entsorgt. Dadurch werden die zu deponierenden Mengen reduziert.

Sanierungskommunikation: Zum Schluss noch eine Frage: Was ist bei einem Theater anders als bei einem leeren Gebäude.

Herr Doan: Die Randbedingungen sind hier sehr speziell. Das hatte ich bisher auf keiner Baustelle. So haben wir hier viel Publikumsverkehr und bekommen sogar auch Anfragen der Anwohner*innen, die sich für das Thema interessieren. Generell ist das so: Wenn Publikumsverkehr vorherrscht und man Arbeiter*innen in Vollschutz sieht, dann ist man verunsichert und fragt, ob das für einen selbst auch schädlich sein könnte. Dementsprechend müssen wir reagieren und die Ängste nehmen.

Eine weitere Herausforderung ist das täglich kurze Arbeitszeitfenster von wenigen Stunden bis zum
Probenbetrieb, in dem die Firma lärmintensiv arbeiten kann. Von dem her, muss jede Tätigkeit so
genau wie möglich eingetaktet sein und jede Minute sinnvoll genutzt werden.